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Ab in den Pool : Tony Hoyer über Nicht-Publikum und wie man es doch ins Museum bekommt

  • Autorenbild: Syl Vie
    Syl Vie
  • 12. Aug. 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 14. Aug. 2023



Tony Hoyer arbeitet als Kuratorin für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Als Ausstellungsassistentin hat Tony vor vier Jahren bei der SKD begonnen, mittlerweile kuratiert sie eigene Projekte und Ausstellungen. Welche Aufgaben Tony auf dem Tisch hat und an welchen Ausstellungen sie aktuell arbeitet, verrät sie uns im folgenden Interview.


Vielleicht magst du mir etwas über deine Arbeit für/bei der SKD verraten. Oder anders gesagt: In deinem LinkedIn-Profil gibst du als Jobbeschreibung „Kuratorin Outreach“ an: Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff „Outreach“?


Tony Hoyer: Klar, gerne. Der Begriff „Outreach“ ist noch ein relativ junger, der sich erst in den letzten fünf bis zehn Jahren in Deutschland entwickelt hat. Den Begriff als solches gab es schon länger, erst jetzt wird er jedoch als Fachbegriff greifbarer. Ich bin in meiner Arbeit auf verschiedene Perspektiven gestoßen, was Menschen unter dem Begriff verstehen. Für die einen ist es zum Beispiel die Arbeit mit dem sogenannten Nicht-Publikum. Also wer geht nicht ins Museum und wie können wir diese Menschen ins Museum bringen?


Für die anderen ist es die aufsuchende Kulturarbeit. Wir verbinden beides. Unser Team aus 4 Mitarbeitenden, zwei Frauen, zwei Männer, macht aufsuchende Kulturarbeit mit den Gruppen, die sonst nicht ins Museum kommen.


Bei der SKD gibt es die Abteilung seit 2019, sie nennt sich Outreach und Gesellschaft. Wir arbeiten eng mit der Vermittlungsabteilung. Wir in der Outreach-Abteilung sitzen im Japanischen Palais (in Dresden). Unsere Stellen basieren auf Drittmitteln.


Ein Teil deiner Arbeit ist das Konzipieren von Ausstellungen. Ist das dein Hauptpart?


Tony Hoyer: (Lacht). Aktuell mache ich viel Projektmanagement und konzipiere Outreach-Projekte im ländlichen Raum. Mein Fokus liegt auf fünf Orten, an denen wir uns in diesem und im nächsten Jahr stark engagieren wollen.


Und um nochmal auf das Thema Outreach zurück zu kommen, wie seid ihr als Team ins Thema gestartet?


Tony Hoyer: Mit den 180 Ideen für Sachsen. 2019 hat sich die SKD dem großen Thema Zukunft gewidmet. Die Grundlage für das Ausstellungskonzept „Die Erfindung der Zukunft“ war eine sachsenweite Befragung, in der die subjektive Wahrnehmung der Gegenwart, die Sorgen, Wünsche und Erwartungen an die Zukunft der 15 bis 35-Jährigen gesammelt wurden.


Das war unser Testballon aus dem sich im nächsten Schritt die Frage ableitete, wie wir uns die Arbeit im ländlichen Raum organisieren können. Denn eins war klar: Der Bedarf war groß und er Wunsch langfristig zusammenzuarbeiten ebenso. Das kann Outreach leisten, Beziehungsarbeit.


Wer ist so ein Ansprechpartner für dich, mit dem du zusammen arbeitest? Und wo seid ihr aktiv?


Tony Hoyer: Erste Ansprechpartner*innen sind meistens die Bürgermeister*innen. Ihre Unterstützung braucht es.


Wir sind aktiv in Gröditz Richtung Großenhain, Wermsdorf, Rabenau, Schneeberg und Kaisitz. Der kleinste Wir sind aktiv in Gröditz Richtung Großenhain, Wermsdorf, Rabenau, Schneeberg und Kaisitz. Der kleinste Ort, Kaisitz, hat gerade mal 66 Einwohner*innen. Die Auswahl haben wir auf der Basis des Teilhabe-Atlas, der Größe der Orte und Entfernung zu uns getroffen. Fast überall in Sachsen, außer in Dresden, Chemnitz und Leipzig, braucht es Unterstützung bei der kulturellen Teilhabe, weil beispielsweise der Weg zur nächsten Kulturinstitution nicht um die Ecke ist.


Und wie schaut so ein Projekt konkret aus, das aus eurer Feder stammt?


Tony Hoyer: Die "Pool Propaganda“ in Wermsdorf ist ein solches aktuelles Projekt, das ich mit meinem Kollegen Julian Rauter umsetze. Angefangen haben wir dafür mit einer Bürger*innen-Werkstatt: Welche Erinnerungen an diesen Ort wollen Menschen mit uns teilen? Ein Geschichten-Speeddating hat uns dabei geholfen. Und die Ergebnisse, die wir bekommen haben, waren super intensiv.


Foto: Falk Messerschmidt


Wermsdorf hat keinen eigenen Marktplatz, also wollten wir einen Ort erschaffen, an dem man generationsübergreifend zusammenkommen kann. Wir wollten einen Raum, an dem Begegnung stattfinden kann.


Freibäder sind ein Ort der Begegnung, denn baden wollen viele. In Wermsdorf gibt es kein Freibad, in den umliegenden Seen darf man nicht baden. Wir erschaffen dieses Freibad und stellen dafür einen mobilen Pool auf. Mit den Menschen aus Wermsdorf haben wir dann über einen passenden Ort nachgedacht. Und sind jetzt im Park im alten Jagdschloss angekommen. Und genau an der Stelle ist dann eine/r unterstützende/r Bürgermeister*in wichtig. Beispielsweise bei der Frage nach einem Schwimmmeister mit Abzeichen. Dieser lies sich dann schnell finden dank der Kontakte.


Und wann eröffnet ihr?



Foto: Falk Messerschmidt


Was macht dir an deiner Arbeit besonders Spaß?


Tony Hoyer: Ich arbeite gerne mit Kindern zusammen. Und der Zugang zu den Kindern ist gleichzeitig der Zugang zu den Eltern.


Beispielsweise habe ich mit der Grundschule und dem Hort in Wermsdorf gesprochen, denn wir bieten im Pool Schwimmkurse an. Theresa Rothe ist da eine wichtige Künstlerin, mit ihr haben wir die Poollandschaft mit Schwimmaccessoires gestaltet. Squizzy P legte uns das Handtuchdesigns an. Dieses wiederum entstand daraus, was die Kinder sich wünschten.


Der Pool als Ort der Begegnung soll das Miteinander sprechen und sich zuhören ermöglichen, zum Beispiel über Schamgefühl, Körperbilder und Demokratie. Die Kinder sollen Anerkennung und Selbstwirksamkeit erfahren.

Foto: Falk Messerschmidt


Wie messt ihr die Erfolge solcher Projekte?


Tony Hoyer: Wenn der Pool steht, war es erfolgreich (lacht). Es ist schwierig das gut zu bewerten. Klingt vielleicht pathetisch, aber für mich zählt der einzelne. Wenn die Menschen es wahrnehmen, wenn sie es annehmen und im Idealfall miteinander reden, dann hatten wir Erfolg.


Frische Kunst aus Ostdeutschland: du siehst viel. Wie gehst du bei der Auswahl der Künstler*innen vor und spielt Regionalität für dich eine Rolle?


Tony Hoyer: Es spielt eine Rolle, weil ich gerne Künstler*innen unterstütze, die aus Sachsen kommen und/oder einen Bezug zu den Orten und Menschen haben, mit denen wir arbeiten. Für die Kinderbiennale ist es aber auch wichtig internationale Künstler*innen zu haben. Für die Outreach-Projekte sind internationale Positionen auch toll, das ist aber oft ein Zeitproblem.


Welche Herausforderungen und Chancen siehst du für zeitgenössische Kunst aus Dresden, aus Leipzig, aus dem Osten Deutschlands generell?


Tony Hoyer: Ich denke Herausforderung und Chance zugleich ist der Perspektivwechsel und gegenseitiges Lernen. Für 30 bis 40 Prozent in den ländlichen Räumen ist der Ost-West-Konflikt in Deutschland ein nach wie vor zentrales Thema. Über die Kunst können Verständnis und Austausch gefördert werden.


Du hattest schon kurz die Kinderbienale erwähnt, was gibt es da Neues?


Tony Hoyer: Wir werden nächstes Jahr die dritte Edition eröffnen, der Titel ist „Planet Utopia“.


Danke für das Interview, liebe Tony.

Bildquellen: Tony Hoyer/LinkedIn, Titelbild Unsplash/Guillermo Diaz Mier y Terán, Pool Propaganda (3 Bilder) Falk Messerschmidt


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